Aufsatz zum Thema Unternehmensbewertung
Wie wird ein Unternehmen bewertet?
Ertrag und Substanz: Der Wert des Unternehmens
In der Höhe des Kaufpreises liegt häufig ein Grund für Differenzen zwischen dem Altinhaber und dem Unternehmensnachfolger: Der Nachfolger möchte natürlich einen möglichst geringen Kaufpreis zahlen. Der Unternehmer dagegen überschätzt häufig den Wert seines Unternehmens. Das ist nachvollziehbar und verständlich, da er in das Unternehmen viele Jahre der Mühe und Arbeit eingebracht hat.
Unternehmenswert nicht überschätzen
Eine Wertüberschätzung kann zu einer doppelten Gefahr für das Unternehmen führen. Einmal wird es schwierig sein, einen Nachfolger zu finden, der bereit und in der Lage ist, den hohen Kaufpreis zu zahlen. Zum anderen besteht die Gefahr, dass sich der Nachfolger bei einem überhöhten Kaufpreis und den damit verbundenen Finanzierungskosten wirtschaftlich übernimmt bzw. die Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens überschritten wird. Viele der Firmenzusammenbrüche nach Übernahmen sind auf einen überhöhten Kaufpreis zurückzuführen.
Außerbetriebliche Faktoren berücksichtigen
In die Verkaufsverhandlungen fließen neben den objektiven Kriterien auch die subjektiven Wertvorstellungen der Vertragsparteien mit ein.
Unternehmensbewertung Bei der Kaufpreisermittlung spielen somit nicht nur der Unternehmenswert bzw. die betrieblichen Faktoren eine wichtige Rolle, sondern auch außerbetriebliche Faktoren wie
• Alter des Erwerbers
• Finanzielle Lage des Veräußerers und des Erwerbers
• Risikobereitschaft des Erwerbers und
• alternative Angebote
Methoden der Unternehmensbewertung
Wie bei jeder Ware entscheiden Angebot und Nachfrage über die Höhe des Preises. Im konkreten Einzelfall spielt dann natürlich noch das Verhandlungsgeschick des Käufers und Verkäufers eine ausschlaggebende Rolle. Um den Einstieg in die Verhandlung zu erleichtern, gehen beide von einer Verhandlungsbasis aus. Diese lässt sich über verschiedene Wege ermitteln:
Die Rechtsprechung wendet beispielsweise die Ertragswertmethode an, wenn ausscheidende Gesellschafter abgefunden werden müssen. Familiengerichte berechnen wiederum für Zugewinnansprüche den Unternehmenswert aus der Hälfte von Substanz- und Ertragswert. An diese Vorgaben halten sich beauftragte Gutachter (z. B. Wirtschaftsprüfer).
Für die Unternehmensbewertung existieren also eine Vielzahl von Methoden, die zu unterschiedlichen Werten für das Unternehmen führen. Dabei kann man grob zwischen den folgenden Methoden unterscheiden:
1. Vergleichswertverfahren: Was kosten die anderen?
In Branchen, in denen Unternehmensübertragungen vergleichbarer Unternehmen häufig sind z. B. freiberufliche Praxen, Gastronomie-Betriebe, Brauereien, Reinigungen usw. werden als Verhandlungsbasis meist die Preise bisheriger Transaktionen herangezogen. Die Daten werden dabei von branchengleichen Unternehmen herangezogen, die ähnliche oder fast deckungsgleiche Kennziffern aufweisen. Die Daten können über die entsprechenden Verbände, Kammern oder spezialisierte Unternehmensberater ermittelt werden. Vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen ist die Preisermittlung über Vergleichsdaten üblich.
2. Ertragswertmethode: Die (zukünftigen) Gewinne des Unternehmens stehen im Vordergrund
Diese Herangehensweise spielt beim Unternehmenskauf bzw. -verkauf die wichtigste Rolle. Im Vordergrund steht die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens. Auch für Banken hat dieser Aspekt wesentlich mehr Bedeutung als die Unternehmenssubstanz: Denn nur eine entsprechende "Verzinsung" des Kaufpreises in Form zukünftiger Unternehmensgewinne, bietet die Sicherheit, dass der Nachfolger das zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommene Darlehen inklusive Zinsen auch zurückzahlen kann.
3. Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF-Methode): Variante der Ertragswertmethode
Sie wird vor allem bei größeren (börsennotierten Gesellschaften) angewandt. Sie ist als Argumentationshilfe und für Entscheidungen geeignet, weniger jedoch für Schiedswerte. Im Unterschied zum Ertragswertverfahren werden hier nicht die zukünftigen Gewinne, sondern der zukünftige abgezinste Cash-Flow zu Grunde gelegt.
Unternehmensbewertung Der Cash-Flow zeigt an, wie viel eigen erwirtschaftetes Geld dem Unternehmen für Investitionen, Kredittilgung, Steuern, Ausgleich von Liquiditätsengpässen usw. zur Verfügung steht.
4. Substanzwertmethode: Der Wert der einzelnen Vermögensgegensstände wie zB Grundstücke, Maschinen und Vorräte stehen im Vordergrund.
Das Substanzwertverfahren spielt bei der Unternehmensbewertung eine untergeordnete Rolle, da es nichts über die zukünftigen Erträge aussagt. Es ergibt in erster Linie einen Hilfswert, der zur Ermittlung des Finanzbedarfs für die Ertrags- bzw. Einnahmenüberschussrechnung dient. Außerdem hat die Substanz Bedeutung für die Besicherung von Bankdarlehen.
5. Kombination von Ertrags- und Substanzwertverfahren
In der Praxis werden Ertragswert- und Substanzwertverfahren meist kombiniert, wobei der Ertragswert - in der Regel - zu 90 Prozent den Kaufpreis bestimmt, der Substanzwert dagegen nur zu 10 Prozent. Eine Ausnahme bilden Unternehmen, deren Substanz tatsächlich von besonders hohem Wert ist wie beispielsweise Immobiliengesellschaften.
Auch wenn für Banken allgemein die Ertragskraft eines Unternehmens entscheidend ist, so wird die Einschätzung der zukünftigen Erträge oder die Berücksichtigung der Unternehmenssubstanz doch von Bank zu Bank unterschiedlich gehandhabt.
Unternehmensbewertung Ein ganz anderer Wert, nämlich der Verkehrswert, dient wiederum als Grundlage, zur Berechnung von Pflichtteilsansprüchen oder Abfindungsansprüchen für weichende Gesellschafter. Wenn also ein Erbe wegen einer qualifizierten Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag nicht Gesellschafter werden kann. Im Erbrecht kann der Erblasser den Unternehmenswert festlegen bzw. ein bestimmtes Bewertungsverfahren vorgeben.
Weitere Verfahren (nicht vollständig)
• Multiplikatorverfahren: für freie Berufe (Steuerberater, Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten). Der Kaufpreis wird ermittelt, indem der Umsatz mit einem branchenüblichen Faktor multipliziert wird.
• Übergewinnmethode: wenn für Bilanzierungszwecke die Wertansätze der einzelnen Aktiva und Passiva benötigt werden.
• Liquidationswert: wenn einzelne Vermögenswerte verkauft werden. Es handelt sich um den Wert zum Zeitpunkt der Liquidation (Zerschlagung) des Unternehmens.
• Stichtagsprinzip: bei familienrechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere Beendigung der Zugewinngemeinschaft. Anfangs- und Endvermögen werden zu einem bestimmten Stichtag ermittelt.
Die Handwerks-, Industrie- und Handelskammern und Branchenverbände informieren mit Kennzahlen und Hinweisen über branchenübliche Verfahren.
Wichtig:
Wird die Unternehmensübertragung über Kredite finanziert, muss sichergestellt sein, dass dem Nachfolger genügend "Luft" bleibt, um Zinsund Tilgungszahlungen sowie alle weiteren unternehmerischen Verbindlichkeiten zu begleichen. Banken achten bei ihrer Kreditentscheidung vor allem auf die Ertrags- und die damit verbundene Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens. Dies muss bei den Preisverhandlungen berücksichtigt werden.
Ertragswertmethode
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist grundsätzlich für Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen anwendbar. Durch langjährige Anwendung bei der Bewertung von Unternehmen ist dieses Verfahren auch durch die Rechtsprechung anerkannt und wird im Bewertungsgesetz geregelt (§§ 200 ff.).
Wie viel Gewinn erwirtschaftet das Unternehmen in Zukunft?
Wer ein Unternehmen kauft, investiert eine hohe Summe Geld in der Hoffnung, dass sich diese Investition auch lohnt und das Unternehmen entsprechend hohe Gewinne erzielt. Alternativ könnte man auch überlegen, das Geld in gut verzinsten Wertpapieren anzulegen. Wie ein Wertpapier muss daher auch der investierte Kaufpreis genügend Zinsen in Form des zukünftig erwirtschafteten Gewinns abwerfen. Die Kernfrage ist daher: Wie hoch darf der Kaufpreis sein, damit der erwirtschaftete Gewinn eine angemessene Verzinsung darstellt? Entscheidend ist also die zukünftige Ertragskraft (i.d.R. für die folgenden fünf Jahre) einer Unternehmung, damit der Nachfolger aus den Erträgen nicht nur die im Unternehmen erforderlichen Investitionen, sondern auch seine Zins- und Tilgungszahlungen (Kapitaldienst) aus dem Kauf der Unternehmung finanzieren kann.
Unternehmensbewertung Die Schätzung der zukünftigen Erträge beruht auf den Betriebsergebnissen der vergangenen drei Jahre und setzt sich folgendermaßen zusammen:
Ausgangswert ist jeweils der Gewinn im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Der Ausgangswert wird korrigiert, indem folgende Punkte hinzugerechnet werden (§ 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG):
Abgezogen werden müssen (§ 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG):
• gewinnerhöhende Auflösungsbeträge steuerfreier Rücklagen sowie Teilwertzuschreibungen des Einkommensteuergesetzes;
• einmalige Veräußerungsgewinne sowie außerordentliche Erträge;
• im Gewinn enthaltene Investitionszulagen, soweit in Zukunft nicht mit weiteren zulagebegünstigten Investitionen in gleichem Umfang zu rechnen ist;
• ein angemessener Unternehmerlohn, soweit in der bisherigen Ergebnisrechnung kein solcher berücksichtigt wurde. Die Höhe des Unternehmerlohnes wird durch einen Drittvergleich bestimmt. Neben dem Unternehmerlohn kann auch fiktiver Lohnaufwand für bislang unentgeltlich tätige Familienangehörige des Eigentümers berücksichtigt werden;
• Erträge aus der Erstattung von Ertragsteuern im Gewinnermittlungszeitraum (Körperschaftsteuer, Zuschlagsteuern und Gewerbesteuer);
• Erträge, die im Zusammenhang stehen mit nicht betriebsnotwendigem Vermögen innerhalb der letzten zwei Jahre eingelegtem Vermögen sowie Erträge aus Beteiligungen, die zum betriebsnotwendigen Vermögen gehören(i. S. v. § 200 Abs. 2-4 BewG).
Hinzuzurechnen oder abzuziehen sind darüber hinaus auch sonstige wirtschaftlich nicht begründete Vermögensminderungen oder -erhöhungen mit Einfluss auf den zukünftig nachhaltig zu erzielenden Jahresertrag und mit gesellschaftsrechtlichem Bezug, soweit sie noch nicht berücksichtigt wurden.
Der Durchschnitt der korrigierten Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre ergibt den Jahresertrag. Dieser wird mit dem Kapitalisierungszinsfuß abgezinst. Hierbei handelt es sich um einen Zinssatz für risikolose Kapitalanlagen, wie beispielsweise deutsche Bundesanleihen plus einen Aufschlag für das Unternehmerrisiko. Im konkreten Fall hängt die Höhe von der jeweiligen Risikobeurteilung, der Annahme über künftige Geldentwertung und Refinanzierungsmöglichkeiten des Käufers ab. Die Höhe des so genannten Risikozuschlags wirkt sich dabei erheblich auf die Höhe des Unternehmenswertes aus.
Finanzierungsstruktur in Bewertung einbeziehen
Die Finanzierungsstruktur des Unternehmens wird nur indirekt in die Bewertung des Unternehmens einbezogen. Im Prinzip spielt es keine Rolle, ob das Unternehmen vollständig mit Eigenkapital finanziert ist oder ausschließlich fremdfinanziert ist (z.B. durch Bankkredite). Die Finanzierungsstruktur spiegelt sich allerdings bei der Ermittlung des zukünftig zu erzielenden Überschusses wider, da die entsprechenden Zinsaufwendungen für Fremdkapital das Ergebnis mindern. Außerdem wird ein Gutachter ein höheres Risiko bei steigender Fremdfinanzierung annehmen und damit den Risikozuschlag auf den Kapitalisierungszinssatz im Zuge seiner Bewertung erhöhen.
Bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens müssen u.a. folgende Fragen geklärt werden:
1. Wie hoch sind die finanziellen Überschüsse (Cash-Flow) des Unternehmens?
2. Wie lassen sich die künftigen finanziellen Überschüsse ermitteln?
3. Wie hoch sollte der Kapitalisierungszinssatzes, insbesondere der Risikozuschlag sein?
4. Welche subjektiven Wertvorstellungen (Image des Unternehmens, Qualifikation des Personals usw.) sollten berücksichtigt werden?
5. Hilfestellung hierzu bieten die Betriebsberater der Kammern sowie Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.
Verfasser: Boris Breidenstein
Bankbetriebswirt
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